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Die Familiensaga seit der Johanna Rosina Roßberg

Für meine Kinder, Nichte und Neffen

Hier ist nun aufgeschrieben, was ich zum Erzählen weiß, womit ich Euch manchmal auf die Nerven ging.

Immer, wenn wir nach Leippen oder zum Ziegenhainer Friedhof fahren, spreche ich von unseren Vorfahren väterlicherseits (den Roßbergs, die aus dem Raum Döbeln- Lommatzsch stammen).

Erzählte ich unterwegs nichts, dann fragtet Ihr: “War hier nicht was?”

Die Besiedelung der Landschaft begann schon in der Steinzeit, der metertiefe Lößlehm-Boden und das Klima machten dies wohl möglich.

1923 hatte mein Großvater Otto Roßberg (Bauer in Leippen) sich einen modernen Pflug gekauft, der viel tiefer pflügen konnte als die bis dahin genutzten Pflüge. Dabei machte er ungeahnte Entdeckungen. Aus Dresden vom Museum für Ur- und Frühgeschichte reisten Archäologen an.

Für die  Leippener waren es spannende Tage. Auf dem Flurstück “Binde” (das Feld am Ortseingang rechts, wenn man von Ziegenhain kommt) wurden archäologische Grabungen gemacht. Dort fand man unter anderem Steinbeile (jüngere Steinzeit: 3500 v.Chr.). Und auf unseren Feldern (500m nach dem Ortsausgang Leippens in Richtung Lommatzsch, rechts ca. 200 m in Richtung der Bäume, dem sogenannten Pfaffenacker) entdeckte man eine Begräbnisstätte aus der Bronzezeit (1800 v. Chr.).

Auch unser Verwandter, der Nossener Lehrer und Heimatforscher, Alfred Berger, beteiligte sich begeistert an den Ausgrabungen.

1964 in der zwölften Klasse schrieb ich eine Jahresarbeit “5000 Jahre Siedlungland”.

Darin sind noch viele Informationen festgehalten.

Am besten, Ihr nehmt Euch jetzt den grünen Roßberg-Stammbaum zur Hand!

Dem Willi Roßberg, Sohn vom Fürchtegott Roßberg, Lehrer in Döbeln, später in Moritzburg lebend, und seiner Tochter Leonore haben wir es zu verdanken, daß wir uns in der Familie Roßberg zurecht finden!

Sie haben seit vielen Jahren den Stammbaum zusammengetragen. Sie haben in Kirchenbüchern gesucht und viele Briefe geschrieben, so daß ein Karteikasten der Nachfahren der Johanne Rosine Roßberg entstand.

Lore führt die Kartei jetzt.
Wir haben einmal Nachkommen der Johanna Rosina Roßberg gezählt (mit Partnern): Es sind über 150 Menschen!

Johanna Rosina Roßberg ist am 27. 4. 1789 als 1. Kind des Gärtners Johann Gottlob Roßberg und der Johanna Christina geb Mahler in Stockhausen geboren. Fünf ihrer Geschwister starben als Kinder, der Bruder Johann Gottlob ist seit 1812 in Rußland vermißt. Nur Bruder Johann Gottlieb hatte auch eine Familie.

Die Johanna Rosina Roßberg gebar als 23jährige ihren Sohn Carl Friedrich Roßberg. Onkel Willi schrieb: “Der illegale Vater hieß Pötzsch, er wollte der Johanna Rosina als Entschädigung die Margaretenmühle bei Döbeln kaufen, was sie aber ablehnte."

Ich fand im Technitzer Taufbuch 1816 ein zweites unehelich geborenes Kind, das aber nur 3 Monate alt wurde. Willi schreibt weiter: “Später pachtete Herr Pötzsch das Rittergut Frohburg . Da seine Ehe kinderlos blieb, adoptierte er ein Mädchen, die sich mit einem Herrn Steindorf in Dresden verheiratete..

Der Pächter Pötzsch hat sich später erhängt.

Die Johanna Rosina heiratete am 5. 10. 1817 den Häusler- Sohn Johann Gottlieb Lanzsch aus Rüsseina (Kirchenbuch Technitz!), aus dieser Ehe gingen 4 Kinder hervor”.

Carl Friedrich Roßberg hatte fünf Jahre und zehn Monate im königlich-sächsischen Reiterregiment gedient. Seine Original- Entlassungsurkunde ist einer der Familienschätze.

1839 heiratete er das erste Mal. Ein Sohn Traugott wurde geboren. Die Mutter starb wohl bei der Geburt.

1841 heiratete der junge Witwer die Johanna Christiana Gernegroß aus Saultitz.

Er arbeitete erst als Tagelöhner in Neuchoren, später besaß er in Theeschütz/ Juchhöh eine kleine Landwirtschaft, dazu war er Lebensmittelhändler. Zum Hof gehörten sechs Hektar. Ein oder zweimal in der Woche lieferte er bei den Bauern aufgekaufte Butter (zuerst mit dem Schiebbock transportierend) nach Meißen oder Dresden.

Acht Kinder hatte der Carl Friedrich mit seiner Frau Christiane geb. Gernegroß.

Mein Urgroßvater Moritz Roßberg war das erste Kind. Er übernahm später den elterlichen Hof, heiratete die Lina geb. Schneeweiß, die beiden Kinder Otto und Meta wurden geboren. Mutter Lina war das 14. Kind von 20 der Familie Schneeweiß, Schneidermeister in Wetterwitz.

1890 hat der Moritz Roßberg das Gut Leippen Nr.6 gekauft (ca. 20 Hektar) (siehe Foto).

Gott sei Dank hat sein Enkel, der Arndt Roßberg 1933 einen Aufsatz über seinen Großvater Moritz geschrieben. Sonst wüßten wir auch über ihn fast nichts. Allerdings gibt es zwei große Bilder. Da sitzt der Moritz mit seiner Frau Lina und den Kindern Otto und Meta am Tisch. Das Tafellied ihrer Silbernen Hochzeit im Jahr 1900 ist auch erhalten (Neffe Willi hatte gedichtet!).

Vom zweiten Kind des Carl Friedrich Roßberg: Pauline Springefeld wissen wir, daß Sie in Wetterwitz lebte mit ihrem Mann. Sie hatten eine kleine Bauernwirtschaft und handelten mit Butter und anderen Sachen. Viele der Nachkommen waren Fleischer, in Wetterwitz, Choren, Dresden.

Das dritte Kind des Carl Friedrich Roßberg war der Fürchtegott Roßberg, verheiratet mit Clara, geb. Schneeweiß, eine Schwester von Bruder Moritz Frau Lina.  Er ist der Vater von Willi, der Großvater von Lore Roßberg- Er hatte in Dresden eine Korbmacherei aufgebaut.

Lores Tante, die Helene Dotterweich kenne ich noch gut. Ich war als Kind mehrmals mit meinem Vater bei ihnen auf dem Dresdner Bischofsweg. Auch allein war ich dort zu Besuch. Diese Tante Lene war später an den Rollstuhl gefesselt. Beim letzten Besuch sagte sie zu mir. ”Sag nur Deinem Vater, ich bin ein rechter alter Käse geworden!”

Liebevoll wurde sie von ihrer Tochter Gretel Dotterweich, die Klavierlehrerin war, betreut.

Der Mann der Margarete Dotterweich, August war in der Dresdner Oper ein hoher Verwaltungsangestellter. Auf ihn war mein Vater stolz, er war sein Patenonkel. Manchmal bekam der Arndt Freikarten für Opernvorstellungen.

Die Tante Helene Dotterweich erzählte mir viel von früher. So hatte der letzte sächsische König die Opern nicht geliebt. Einmal sei der spanische König zu Besuch in Dresden gewesen - ein begeisterter Opernliebhaber. Unsere Dotterweichs beobachteten bei einer Vorstellung, wie sehr der spanische König von der Oper gefesselt war, der sächsische König aber immer wieder von einer Hofdame angeschubst wurde, weil er einschlief!

Der Bruder von Helene Dotterweich, der schon oft genannte Willi Roßberg war Lehrer, erst in Halsbach bei Freiberg, dann in Döbeln, dann in Moritzburg. Er war eng mit seinem Cousin Otto, unserem Großvater, verbunden. Dies hat sich auf seine Tochter Lore und mich übertragen!

Das vierte Kind des Carl Friedrich Roßberg Auguste Richter lebte mit ihrem Mann erst in Leschen, dann einige Zeit auch im Choren (von Nossen kommend das erste kleine Gut rechts). Später zogen sie nach Zwickau, dann nach Freital.

Mariechen Hartmann, die zur Linie Emilie Schulz, fünftes Kind des Carl Friedrich Roßberg gehört, erzählte, sie hätte die Großmutter Emilie erst richtig kennen und lieben gelernt, als sie im Ersten Weltkrieg bei ihr in Waldheim lebte. Beim Federn schleißen haben sie die Großmutter über die alten Zeiten ausgefragt. Das wäre immer so schön gewesen und sie hätten dann so viel gelacht, daß die Federn nur so stiebten. Ja, und dann hat die Großmutter geschimpft! Eine diese Geschichten ist uns erhalten geblieben:.

Die Eltern Carl Friedrich Roßberg und Christiane geb. Gernegroß, seien mit der Kutsche unterwegs gewesen. Inzwischen hatten die Kinder die Kümmel-Likör geleert und tobten herum. Als die Eltern zurückkehrten, riefen sie die Emilie, sie solle eine Wanne bringen. Ja, die brachte sie wohl......aber, wie sah sie aus? Ihre Brüder hatten ihr einen Blechnachttopf auf den Kopf gestülpt, der festklemmte und nicht mehr herunterging. Sie hätte eine krumme Nase gehabt, da wäre schon mal früher ein Wagen drüber gefahren!!

Also wendete der Vater die Kutsche und fuhr mit der Emilie zum ......... nein, nicht zum Doktor, nein, zum Schmied!!! Das Donnerwetter folgte sicherlich!

Der Julius Ehregott Roßberg (6. Kind des Carl Friedrich Roßberg) war nach Amerika ausgewandert. In einem Brief von 1883 (dies ist der älteste erhaltene Brief in unserer Familie) beschwert sich seine erste Frau beim jüngsten Bruder Clemens, daß der Julius sie und ihren Sohn verlassen hat. Wenn er sich in Theeschütz melden würde, sie sollen helfen, daß er zu Frau und Kind zurückkehrt.

Dies passierte wohl nicht, denn Julius hat später eine Madame Harnischfeger geheiratet. Erst sei er Bierbrauer gewesen, dann Nightwatchman.

Das siebte Kind des Carl Friedrich Roßberg Oswald Roßberg übernahm den Theeschützer elterlichen Hof 1890, als Moritz noch Leippen ging. Er war mit Marie geb. Bucher verheiratet. Die ersten Ehejahre verbrachten sie in Dresden. Oswald arbeitete als Korbmacher. Die Ehefrau hätte aber die Dresdner Luft nicht vertragen, so gingen sie dann nach Theeschütz.

An Helene Hempel, das jüngste ihrer Kinder kann ich mich noch gut erinnern. Die Hempels hatten in Gertitzsch bei Theeschütz ein größeres Gut (33 Hektar), keine Kinder.

Sie züchteten Pferde, ebenso Doggen. Der Harry war Ortsbauernführer in der Nazi-Zeit. Die Fremdarbeiter behandelten sie schlecht. Deshalb wurden sie 1945 enteignet. Tante Helene Hempel lebte dann in einer ärmlichen kleinen Wohnung in Rüsseina. Sie war eine ganz liebe Frau, arbeitete viele Jahre in Rüsseina als Kirchnerin. Mit meinem Vater war ich oft bei ihr und an den Gräbern der Hempels (was noch existiert), und der Großes (Familie von meiner Großmutter Rosa Roßberg) in Rüsseina.

Das achte Kind des Karl Friedrich Roßberg Clemens Roßberg lebte in Choren. Er heiratete die Agnes Köhler, die ein Kind, Otto Köhler, mit in die Ehe brachte. Dazu kamen noch zehn Kinder, mehrere waren wie der Vater Diabetiker. Die jüngste Tochter Dora Fiedler besuchte Lore und ich anläßlich einer Geburtstags- Familienrundreise zu Lores 70. das letzte Mal. Sie sagte: sie hätten immer schwer arbeiten müssen, die Mutter war früh gestorben.(fünf Jahre nach dem 11. Kind an Tuberkulose). Der Vater war immer gut. Sie lebten in einem kleinen Gehöft in Choren (wenn man von Nossen kommt, das dritte rechts an der Straße).

Dora Fiedler erzählte auch, daß Sie einmal als Kind mit dem Handwagen von Choren nach Leippen geschickt wurde vom Onkel Moritz Roßberg die Kartoffellegemaschine zu holen. Der Onkel hatte immer so moderne Dinge. Es war ein unendlich weiter Weg für das Kind. Aber ihr guter Vater Clemens sei ihr entgegengekommen.

Clemens hat nie wieder geheiratet, er bewirtschaftete den Hof mit den Kindern allein. Die Kinder Linda und Arno Roßberg und der mit in die Ehe gebrachte Otto Köhler wanderten nach Amerika aus. Der Hof wurde dann von Tochter Elsa Miersch und Mann bewirtschaftet. 1930 brannte das Wohnhaus ab. Die Mierschens bauten es wieder auf, aber am Ende waren sie pleite. Der Hof wurde verkauft, aber Clemens hatte dort Wohnrecht auf Lebenszeit. Seine letzten Lebensjahre verbrachte er aber schwer zuckerkrank bei seiner jüngsten Tochter Dora Fiedler in Dreißig. Sein Grab ist in Beicha, wo auch Dora Fiedler beerdigt ist.

Wie es bei Moritz Roßberg Familie weiter ging

Mein Großvater Otto führte den Hof in Leippen weiter. Seine von Geburt an lahm laufende Schwester Meta lebte mit im Hof. Meta blieb unverheiratet, später wohnte sie mit ihrer Mutter Lina in Meißen und dann wieder in Leippen.

Die Meta war sehr beliebt, alle freuten sich, wenn sie zu Besuch kam. Lore erzählte, es hätte dann geheißen: “die Meta kommt.......... die lahme Meta kommt......die Lametta kommt..............der Christbaumschmuck ist da!”

Auf dem Spitzboden meines Elternhauses fand ich als Kind eine Holzkiste. Dort sind viele Familiendokumente aufbewahrt, auch viele Briefe, gesammelt von meiner Großmutter Rosa Roßberg, geb. Große, Frau von Otto Roßberg.

In dieser Kiste war auch ein Bauernkalender von 1915. Mein Großvater Otto Roßberg hatte da täglich eingeschrieben, was so los war. Diese Art Kalenderführung hat sein Sohn Arndt Zeit seines Lebens fortgeführt. Am 10. August 1915 steht: ”Hafer gewendet - die große Wiese gehauen – Stoppel geschält - ein kleiner Junge geboren”. Das war mein Vater Arndt. Am 11. August steht: ”die große Wiese vollends gehauen - Hafer Schlag 7 eingefahren”.

Der Otto Roßberg sei ein fröhlicher Mensch gewesen, er konnte Ziehharmonika spielen. Der Otto hatte einen sehr krummen Rücken, einen Buckel, erzählte mir mein Vater. Dies hat wohl seinen frühen Tod bewirkt, das Herz hatte Probleme.

Mein Rücken wurde in der Pubertät auch krumm, alles ”Sitz-gerade-Ermahnen” half nicht. Als die ersten Schmerzen mit 30 Jahren kamen, ließ mich mein Vater röntgen. ”Ja, nun, das ist ein Scheuermann, da hätten wir sowieso nichts machen können. Das hast Du vom Großvater geerbt, tröstete er mehr sich als mich!

Der Arndt war 12 Jahre alt, das einzige Kind, als der Vater Otto starb.

Als Arndt 7 Jahre alt war, erkrankte er an Kinderlähmung.

In der vorhin erwähnten Kiste sind viele Briefe und Karten, die nach Bad Elster dem kranken Arndt ins Krankenhaus geschrieben wurden. Ein Bein blieb verkürzt, ein Fuß kleiner und verkrüppelt. Zeit seines Lebens trug der Arndt eine Schiene am Bein und Sommer wie Winter große orthopädische Schuhe, er benutzte einen Stock. Aber nie war diese Behinderung ein Thema für ihn und damit für uns alle.

Die ersten Schuljahre nach Ziegenhain zogen Mitschüler ihn im Handwagen zur Schule, oder er wurde mit der Kutsche gefahren.

Einmal in dieser Zeit hatte der Arndt auf dem Heuboden über dem Pferdestall Eier gesucht. Die Tür, durch die das Heu vom Hof aus hochgegabelt wurde, war nicht verriegelt. Der Junge rutschte und fiel durch die offene Tür auf´s Pflaster. Das kranke Bein war gebrochen. Oh je, da wird der Otto mit dem Knecht geschimpft haben.

Später ging der Arndt nach Nossen ins Gymnasium, wohnte die Woche über im Internat - ”Der Kasten” wurden die Gebäude genannt. Die Kleinbahnstrecke Nossen - Potschappel - ”Rom” führte an der Schule vorbei. Manchmal seien sie auf diese Bahn aufgesprungen und ein Stück mitgefahren, auch der körperbehinderte Arndt! Immer denke ich daran, wenn ich dort vorbeikomme!

Ein Mitschüler von ihm war der Sohn des Nossener Arztes Hahnefeld. Ab und zu nahm der junge Hahnefeld den Arndt mit zu sich zu Hause. Später erzählte der Arndt, als wir einmal an diesem Haus vorbeifuhren,: ”Die hatten so feine Seife im Bad, die roch so herrlich, da beschloß ich, auch Arzt zu werden”.

Der frühe Tode des Vaters Otto hatte alles in Leippen geändert. Gut und Felder wurden an Familie Wittig verpachtet (sie bewirtschafteten bis 1965 unseren Hof, dann mußten auch sie in die LPG eintreten). Die Mutter wohnte bis zu ihrem Tod weiterhin im Gut, lebte von Pacht und Deputat und kleineren Verkäufen von Eiern und Gartenprodukten, ein Heftlein zeugt davon. Viel konnte die Mutter dem Studenten Arndt nicht geben. Die vielen Briefe in der Kiste zeugen von der Liebe der Mutter.

Arndt schrieb jede Woche eine Karte nach Leippen. Er erzählte uns, wie bescheiden, ja geizig er seine Studienzeit in Leipzig und Freiburg verbrachte.

Aber in eine singende Verbindung ist er in Leipzig eingetreten, weil er so gerne Gesang hörte. Bei Auftritten hätte er nur mit dem Mund gewackelt, keiner hätte es gemerkt. Er konnte ja wirklich überhaupt nicht singen!

Die Rosa Roßberg stammt aus der Familie Große in Lüttewitz, sie hatte 6 ältere Geschwister.

Zwei Schwestern der Rosa kenne ich noch. Sie lebten in Döbeln. Einmal im Jahr besuchten wir sie. Die eine war die Tante Liesbeth, die noch mit 80 einen Heuwagen lud. Die andere war die Müller Dora, die Mutter von dem Arndt sehr nahestehenden Vetter Ernst Müller, dem Apotheker. Zu dessen drei Söhnen Horst, Helmut und Hans-Jochen, die unser Alter haben, pflegen wir den Kontakt.

Die Tante Suse Heidt in Düsseldorf gehört auch in diese Runde, sie ist die Tochter von Rosas Schwester Hedwig.

Nach dem Studium ging der Arndt zur Famulatur nach Reval. Der Ausbruch des Krieges mit Rußland brach dies abrupt ab.

Wegen seiner Behinderung wurde er nicht Soldat, so trat er im Freiberger Krankenhaus eine Assistenzarztstelle in der Chirurgie an.

1943 war meine Mutter Inge, die in Dresden lebte, in Halsbrücke bei ihren Verwandten Haufe zu Besuch. Dort bekam sie eine Blinddarmentzündung und mußte im Freiberger Krankenhaus operiert werden. Die Frau im Krankenbett neben ihr sagte zu Inge: ”Na, merken Sie nicht, daß der junge Doktor immer kommt!” .... Na, dann hat sie es bemerkt!

Später sagte die Inge manchmal: ”Ich habe meinen Mann im Bett kennengelernt”.

1944 am 12.08. heirateten sie in der Ziegenhainer Kirche.

In der Lommatzscher Pflege gab es im April/ Mai 1945 elende sinnlose Stellungskämpfe mit den Russen. Der Arndt war mit seinem Fiat nach Leippen unterwegs, um die Mutter Rosa nach Freiberg zu holen. In der Senke in Nössige standen plötzlich deutsche Soldaten auf der Straße: ”Um Gottes Willen, fahren sie hier nicht weiter, hier ist schon alles unter Beschuß.” So kehrte der Arndt um. - An dieser Stelle ist rechts an der Straße ein Soldatengrab.. Immer sage ich, daß diese meinem Vater das Leben gerettet haben.

Im Sommer 1945 übernahm der Arndt das Oederaner Krankenhaus, im Dezember wurde ich geboren, Bettina 1946, Sabine 1951.

Diese Geschichte erzähle ich immer am Ortsausgang von Nossen in Richtung Freriberg:

Im Sommer 1946 hatten Inge und Arndt mich nach Leippen zur Großmutter gebracht und Lebensmittel geholt, der Rücksitz war aus Platzgründen ausgebaut. Die hochschwangere Inge hatte Arndts Hut, gefüllt mit Eiern in der Hand. Plötzlich kamen am Ortsausgang von Nossen in Richtung Freiberg, 100 m nach dem Krankenhaus hinter einem Gebüsch zwei russische Soldaten mit Gewehren hervor, hielten das Auto an, die Beiden mußten aussteigen und die Russen fuhren davon. Ein Stück sind Arndt und Inge, den Eierhut in der Hand, hinterhergerannt, aber das hatte ja keinen Sinn. Das Auto war weg!

Aber dieses wichtige Fortbewegungsmittel für unseren körperbehinderten Arndt mit dem großen Krankeneinzugsgebiet war ein schlimmer Verlust.

Arndt inserierte in allen umliegenden Zeitungen und tatsächlich - aus Dresden kam ein Brief, das beschriebene Auto sei auf der Kesselsdorfer Straße 123 in den Straßengraben gefahren, Russen hätten es abgeholt. Nun war damals gerade der Oederaner russische Kommandant Patient. Dieser schrieb einen Brief für die Dresdner Kommandantur. Schon auf dem Hof hatte der Arndt sein Auto entdeckt - für 1000 Mark konnte er es mitnehmen... Und er war froh.

Sehr viel habe ich nicht von Rosa Roßbergs Krankheit erfahren. Aber sie muß unter ziemlichen Depressionen gelitten haben. Sie konnte nicht schlafen, hörte Stimmen.

1947 hat sie sich auf dem Getreideboden aufgehängt.

Bis 1991 war die LPG der Pächter unseres Hofes. Sie bestellten die Felder, die Gebäude verfielen. Keiner der Nachfahren von Arndt war in der Lage dies zu ändern. Deshalb verkaufte der Arndt 1991 die Gebäude des Bauernhofes an die Familie, die dort wohnte. Die 20 Hektar wurden an den Bauern Geiger verpachtet.

Meine gesamte Kindheit fuhr ich in den Ferien nach Leippen zu unseren Pächtersleuten Wittig. Ich habe mit den Dorfkindern gespielt, in Haus, Hof und auch manchmal auf dem Feld mitgeholfen.

Es ist für mich immer ein ganz besonderes inneres Gefühl, wenn ich mich Leippen nähere.

Möge es Euch ähnlich gehen.

 

Christine Wagner (geb. Roßberg)